An die Grossmutter

Unbekannt
Marina Zwetajewa kannte ihre polnische Großmutter mütterlicherseits nicht. Das Gedicht entstand wohl in Betrachtung eines Fotos.

Musik: E Minor Prelude von Chopin aus der YouTube Audiomediathek
Textquelle des russischen Originals: https://ru.wikisource.org/wiki/Бабушке_(Цветаева

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An die Großmutter / Бабушке - Gedicht von Marina Zwetajewa (1892-1941)

Eva K. Kühn
2023
Langgezogenes, hartes Oval,
des schwarzen Kleids ernste Spitzen …
Wer, junge Großmutter, küsste einmal
Ihre unnahbaren Lippen?

Hände, die in prachtvollen Sälen
Walzer Chopins einst gaben,
eisiges Antlitz, an beiden Schläfen
gerahmt von Lockenspiralen.

Dunkler, direkter, gebietender Blick,
Blick, der zum Kämpfen bereit ist.
Junge Frauen - die blicken so nicht.
Großmutter, junge, wer seid Ihr?

Wieviele Träume nahmt Ihr mit hinab,
Unmöglichkeiten und Grenzen?
Hinab in der Welt unersättliches Grab,
Polin von zwanzig Lenzen?

Frisch war der Wind, unschuldiger Tag,
kein dunkler Stern hat geschienen,
Großmutter, der mir im Herzen jagt,
dieser tobende Sturm ist - von Ihnen?
2025-04-16 13:06:35
Marina Zwetajewa
31.08.1941 in Jelabuga
Marina Zwetajewa
eine russische Dichterin und Schriftstellerin. Sie gehört zu den bedeutendsten russischen Dichtern im 20. Jahrhundert. Sie und ihre Familie wurden wegen ihrer antikommunistischen Haltung verfolgt. Sie lebte im Exil in Berlin und Paris, kehrte aber in den Kriegsjahren in die Sowjetunion zurück. Veröffentlichung war ihr dort verwehrt und die Familie, da sie im Westen gelebt hatte, stand unter ständiger Beobachtung, es gab Verhaftungen. Zwetajewa wurde schließlich in die tatarische autonome Republik evakuiert, wo sie sich das Leben nahm. Erst in den 60er Jahren wurde ihr Werk in der UdSSR anerkannt.
Eva K. Kühn


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